Auszu aus: H. T. Thielen: Die neuen Technologien im Kontext einer
Technologiefolgenabschätzung
Einleitung:
Wer sich mit dem Phänomen technologischer Evolution beschäftigt wird sehr schnell erkennen, dass technische Systeme mit vielfältigen menschlichen Aktivitäten verbunden sind, und massiv, ja man muss sagen dramatisch in gesellschaftliche Beziehungen und Verhältnisse einwirken.
Insbesondere die Hightech-Technologien haben in höchstem Maße konstruktiven Charakter, der das funktionale Verhalten einer ganzen Gesellschaft, für eine nicht überschaubare Zukunft, massiv beeinflussen und steuern kann. Es gibt heute keine Ebene menschlichen Daseins, die nicht unmittelbar betroffen ist. Nicht nur im Beschäftigungssystem, im Gesundheitswesen, in Militär, Verwaltung und Verkehr, sondern auch im Alltag und in der Privatsphäre der Individuen, in der persönlichen Informationsbeschaffung und Kommunikation, dem Haushalt und verstärkt im Freizeitverhalten, haben signifikante technologische Entwicklungen tiefprägende Modifikationen bewirkt.
Dies ist zunächst nicht negativ zu bewerten, da technische Systeme substanziell wertfrei sind. Die Frage, die sich gleichwohl zwingend anschließt, lautet: Dürfen alle neuen technischen Entwicklungen, ohne Kontrolle einer unabhängigen Instanz und ohne die kritische Betrachtung möglicher negativer Folgewirkungen, in die gesellschaftliche Praxis umgesetzt werden?
Eine Beantwortung dieser Fragestellung sollte zu Beginn grundsätzlich ›nein‹ lauten, denn mögliche, für die Gesellschaft schädlichen Konsequenzen, müssen unter allen Umständen schon im Ansatz verhindert werden. Dies impliziert eine differenzierte, sorgfältige und verantwortungsvolle Prüfung der ›neuen Technologie‹ unter dem Aspekt der gesamtgesellschaftlichen Tauglichkeit. Nicht die bloße Machbarkeit und Zweckdienlichkeit dürfen die Einführung und Verbreitung legitimieren, sondern der gesamtgesellschaftliche Nutzen in Abwägung möglicher Risiken. Dass in diesem Zusammenhang in erster Linie das Gefahrenpotential der neuen Technologie in allen Aspekten zu untersuchen ist, ich denke hier insbesondere an gesundheitliche und soziale Wirkungen, steht außer Frage.
Die für alle wahrnehmbare Realität lehrt uns allerdings etwas anderes.
In den letzten Jahrzehnten haben sich Wirtschaft, Wissenschaft und Technik weitgehend verselbständigt und alles, was machbar ist und Profit verspricht, wird gemacht. Ökonomische Zielsetzungen stehen absolut im Vordergrund, ethische und moralische Bedenken sind vollkommen außer Kraft gesetzt, und das in der Öffentlichkeit immer wiederkehrende Argument lautet: Standortsicherung und Arbeitsplätze!
Das Spektrum neuer Forschungsergebnisse, die kritiklos und ohne Analyse möglicher negativer Folgewirkungen in der Praxis umgesetzt werden, ist groß. Sei es die umstrittenen Gen- und Nanotechnologien, mit ihren bedrohlichen biologischen Effekten auf den menschlichen Organismus, die heute allerorts vorhandenen Funknetze und Ihre epigenetischen Wirkungen auf die menschliche DNA, die problematische Fracking-Methode und ihre unkalkulierbaren Risiken in der Energiegewinnung, oder auch der Einsatz kybernetischer Hybridsysteme beim Militär, dem Verkehr oder im Beschäftigungssystem. Diese wenigen prägnanten Beispiele konkretisieren augenfällig die nicht mehr vorhersehbaren Gefahren für Mensch und Umwelt.
Trotz aller Risiken findet die praktische Umsetzung ohne kritische Kontrolle statt.